Positive Devianz oder: Warum Abweichung nicht immer schlecht sein muss – Von Anna Fassl (2024)

von Die Redaktion · Veröffentlicht · Aktualisiert

Der folgende Essay gibt einen Einblick in das Phänomen der positiven Devianz. Devianz ist ein vieldiskutiertes Phänomen, das in erster Linie mit negativen Merkmalen in Verbindung gebracht wird. Kann Abweichung, wie im Fall von genialen Wissenschaftler_innen, brillanten Künstler_innen oder Wunderkindern – also von Ausnahmetalenten auch positiv sein?. Nach einem Überblick, was man unter (positiver) Devianz versteht und welche Faktoren für diese ausschlaggebend sind, folgen Probleme, die für diese Ausnahmetalente entstehen können und Neutralisierungstechniken, die Hochbegabte einsetzen, um ihre Intelligenz ein wenig aus dem Rampenlicht zu nehmen. Hervorragend zu sein wird nämlich manchmal nicht immer als ausschließlich positiv beurteilt und kann die betreffenden Personen schnell zu Außenseiter_innen machen. (Abstract)

Wenn von Devianz gesprochen wird, haben die meisten Menschen Kriminalität und negative Abweichung von der Norm im Sinn. „Devianz“ bedeutet allerdings nur Abweichung – ob diese positiv oder negativ ist, ist damit noch nicht definiert. Ich habe mich in der vorliegenden Arbeit mit dem Thema der positiven Devianz beschäftigt. Positive Devianz ist für mich ein spannendes Thema, denn es wird öffentlich kaum diskutiert, birgt meines Erachtens aber ein unglaubliches Potenzial in sich. Die gezielte Förderung von Hochbegabten und hochintelligenten Personen könnte für die Gesellschaft eine mögliche Quelle für Veränderungen beziehungsweise auch Verbesserungen bedeuten. Ich habe mich im Zuge des folgenden Artikels mit Literatur zum Thema positive Devianz beschäftigt und zwei Studien näher betrachtet, die mit jungen Menschen – einerseits Schüler_innen, andererseits Studierenden – durchgeführt wurden. Mich interessiert was Devianz – im Besonderen positive Devianz – ist, welche Klischees damit verbunden sind und ob diese durch die Ergebnisse der Studien bestätigt werden können und wie hochintelligente Menschen selbst mit ihrer Hochbegabung umgehen.

Wer weicht wovon ab? Was ist Devianz?

Devianz bedeutet abweichendes Verhalten. Aber wovon weicht jemand ab? Wer definiert wovon abgewichen wird? Howard Becker hat 1963 darauf eine Antwort gefunden. Er beschreibt, dass die Gesellschaft Regeln für das Zusammenleben aufstellt. Wer diese Regeln bricht, wird von dieser Gesellschaft zum Außenseiter oder zur Außenseiterin gemacht. Das heißt, dass ein bestimmtes Verhalten dann abweichend ist, wenn es von der Gesellschaft als solches bezeichnet wird (vgl. Becker 1963: 9). Devianz ist überall und somit auch keine Randerscheinung. Frank Zappa hat schon gesagt, dass ohne Abweichung von der Norm kein Fortschritt möglich sei (vgl. Adler/Adler 2006: 131f.). Normen sind keine starren Systeme, sie verändern sich im Laufe der Zeit. Manche Regeln und Vorschriften hinfällig und überholt und deshalb auch nicht mehr sanktioniert. Dadurch verlieren Normen teilweise ihre Wichtigkeit, wodurch es auch zu einem Fortschritt für die Gesellschaft kommen kann. So dürfen heutzutage Frauen wählen und studieren und es wundert sich auch niemand mehr, wenn eine Frau Hosen trägt.

Ein Grund, warum manche Personen als deviant dargestellt werden, kann auch mit Macht zusammenhängen. Devianz und die damit verbundene Veränderung gefährdet möglicherweise die Macht einer relativ „starken“ Gruppe. Durch die Umgestaltungen wird die Struktur der Gesellschaft eventuell verändert und es ergeben sich neue Situationen, in denen die mächtige „starke“ Gruppe fürchten muss, etwas von ihrer Macht und ihrer Stellung in der Gesellschaft einzubüßen (vgl. Heckert/Heckert 2002: 469).

Devianz beschränkt sich nicht nur auf die Soziologie. Viele andere Disziplinen setzen sich mit diesem Thema auseinander und häufig kommt es zu Überlappungen zwischen den Fachbereichen. Am erfolgreichsten, betreffend die Aufmerksamkeit, die den Wissenschaftler_innen entgegengebracht wird, sind die Psychologie und die Psychiatrie auf diesem Gebiet, da von Wissenschaftler_innen dieser Fachrichtungen Werke publiziert werden, die zu offiziellen Diagnosen führen. Aber auch mit der Kriminologie, der Medizin, den Ernährungswissenschaften, der Organisationsforschung sowie der Forschung betreffend öffentlicher Gesundheit, Bildung und Kindesentwicklung kommt es teilweise zu Überlappungen, da sich diese Disziplinen ebenfalls mit (positiver) Devianz beschäftigen (vgl. Adler/Adler 2006: 138; Shoenberger/Heckert/Heckert 2012: 774).

Es fällt aber auf, dass in der Forschung hauptsächlich negative Devianz behandelt wird. Kaum jemand widmet sich der positiven Devianz; dabei meint „Devianz“ der Definition im Duden zufolge – wie eingangs erwähnt – nur „Abweichung“. In welche Richtung diese Abweichung geht, ist damit noch nicht festgelegt.

Positive Devianz

Der Umstand, dass das Phänomen der positiven Devianz kaum im wissenschaftlichen Fokus steht, wird von mehreren Autor_innen in den wenigen Texten, die es dazu gibt, kritisiert (vgl. Heckert/Heckert 2002: 450; Heckert/Heckert 2004: 77; Shoenberger/Heckert/Heckert 2012: 774). Viele Wissenschaftler_innen sprechen sich sogar dagegen aus, dass dieses Phänomen als „positive Devianz“ bezeichnet wird (vgl. Heckert/Heckert 2002: 450). Andere hingegen plädieren dafür, dass positive Ausnahmen von der Regel beforscht werden sollten (vgl. Stebbins 2011: 28). Alex Heckert und Druann Maria Heckert stellen in einigen Artikeln dar, dass es zwei Ansätze gibt, um positive Devianz zu beschreiben. Einerseits ist das der normative (objektive) Ansatz, der besagt, dass positive Devianz Verhalten oder Eigenschaften beschreibt, die über die normativen Erwartungen hinausgehen (zum Beispiel „Überkonformität“). Der reaktive (subjektive) Ansatz andererseits beschreibt positive Devianz als Verhalten oder Eigenschaften, die positiv bewertet werden (beispielsweise sportliches Talent). Heckert und Heckert haben diese beiden Ansätze in einem Modell zusammengefügt und eine Einteilung in vier Formen der Devianz vorgenommen (vgl. Heckert/Heckert 2002: 451).

Normative

Nonkonformität

Erwartungen

Konformität

Soziale Reaktionen und
kollektive Bewertungen

Negative
Bewertung

Negative
Devianz

„Rate-busting“
(„Streber“)

Positive
Bewertung

Bewunderung
der Devianz

Positive
Devianz

Abbildung 1: Typen von Devianz (vgl. Heckert/Heckert 2002: 459)

Heckert und Heckert haben in ihrem Modell zwei Ebenen definiert. Einerseits die normativen Erwartungen, die in einer Gesellschaft gelten, andererseits die sozialen Reaktionen und die kollektiven Bewertungen, die das Verhalten nach sich zieht. Die Handlungen können nonkonform oder konform sein und Personen, die dieses Verhalten erleben, können dieses als positiv oder negativ bewerten. Wenn ein Verhalten nonkonform ist und auch als negativ bewertet wird, handelt es sich um negative Devianz. Mörder fallen zum Beispiel in diese Kategorie. Angenommen das nonkonforme Verhalten wird aber positiv bewertet, sprechen Heckert und Heckert von „deviance admiration“ (Heckert/Heckert 2002: 462 ff.), also von Bewunderung der Devianz. Ein prominentes Beispiel dafür sind Bonnie und Clyde. Falls das Verhalten konform ist, kann es allerdings trotzdem als negativ bewertet werden. So werden Personen, die an ihrer Arbeitsstelle besonders viel leisten, oft von ihren Kolleg_innen aus diesem Grund angefeindet, weil durch die gute Leistung von einer oder einem dann von der gesamten Belegschaft bessere Resultate verlangt werden. In einem solchen Fall ist das Verhalten prinzipiell konform, es wird aber als negativ wahrgenommen. Mit diesem Problem haben auch Schüler_innen oder Student_innen oft zu kämpfen. Auf deren Art, mit dieser negativen Auffassung ihrer positiven Leistung umzugehen, komme ich später zurück. Der letzte Typus von Devianz ist jener, bei dem das Verhalten konform ist und dieses auch als positiv bewertet wird. Mutter Theresa ist ein Beispiel für diese Kategorie (vgl. Heckert/Heckert 2012: 776).

Die Einteilung in jene vier Kategorien, die Heckert und Heckert erarbeitet haben, ist aber nicht immer eindeutig möglich und in manchen Fällen kommt es zu Überschneidungen. Beispielsweise kann ein Studierender von seinen Eltern und Lehrer_innen als hochbegabt und überdurchschnittlich intelligent gesehen werden, während er oder sie in den Augen seiner Studienkolleg_innen ein „Rate-Buster“ („Streber_in“) ist. Die Zuschreibung zu den jeweiligen Kategorien hängt vor allem von den sozialen Reaktionen auf das Verhalten ab, die dieses in der Folge auch stigmatisieren können; weitere Faktoren können das Geschlecht und die Gruppenzugehörigkeit der involvierten Personen sowie der Kontext und Zeitpunkt der Einschätzung des Verhaltens oder der Eigenschaften sein (vgl. Heckert/Heckert 2002: 468; Shoenberger/Heckert/Heckert 2012: 775f.).

Die eigene Stellung innerhalb der sozialen Struktur bestimmt natürlich auch, wie das Verhalten von anderen eingeschätzt wird. Die Mächtigen unterdrücken häufig positive Innovationen, um ihre eigene Position nicht zu gefährden. So wehren sich Pharmakonzerne oft gegen neue Medikamente, die kostengünstiger auf den Markt kommen und somit mehr Menschen versorgen könnten. Firmen und Länder, die mit Erdöl handeln, hindern die Automobilindustrie bisher daran, Fahrzeuge mit alternativen Antrieben auszurüsten. Zu groß wäre der finanzielle Verlust, den diese Unternehmen hinnehmen müssten, wenn die Nachfrage nach Erdöl drastisch sänke. Positive Devianz wird laut Heckert und Heckert am ehesten dann als solche bezeichnet und auch toleriert, wenn dadurch keinerlei Machtbeziehungen gefährdet werden. (vgl. Heckert/Heckert 2002: 472ff.).

Hochbegabte und deren klischeehafte Probleme

Das Klischee der hochbegabten „Nerds“, die überdurchschnittlich klug sind, dafür aber kaum soziale Kompetenzen aufweisen und denen im Ausgleich zu ihrer hohen Intelligenz die „soziale Ader“ fehlt, wird in diversen Fernsehserien stark ausgereizt. Sei es bei den „Gilmore Girls“, wo mit der Figur der Paris Geller eine „Einser-Schülerin“ gezeichnet wird, die es aber auf einer Party mit ihren Klassenkolleg_innen vor lauter Langeweile kaum aushält, oder bei „The Big Bang Theory“, in der die Figur des Sheldon Cooper einen hochbegabten technischen Physiker darstellt, der aber nicht in der Lage ist, zwei Minuten Small-Talk zu führen. Diese Rollen arbeiten mit Klischees und funktionieren wahrscheinlich deshalb so gut, weil man sich selbst dadurch bekräftigen kann, dass – wenn man schon nicht hochbegabt ist – man in anderen Feldern besser ist, in denen Hochbegabte dafür ein Defizit aufweisen.

Eine Studie von Ann F. Garland und Edward Zigler aus dem Jahr 1999 bestätigt diese These, dass Hochbegabte ein Defizit betreffend soziale Beziehungen haben, aber nicht. Sie haben 191 Schüler_innen beforscht, die an einem Sommerprogramm für hochintelligente Jugendliche teilgenommen haben. Die Jugendlichen wurden anhand ihres außergewöhnlichen Abschneidens beim SAT (Scholastic Achievment Test) für dieses Programm ausgewählt. Durch die Child Behavior Checklist (CBCL) sollten eventuell vorhandene emotionale Probleme und Verhaltensauffälligkeiten aufgedeckt werden. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass bei hochintelligenten Kindern und Jugendlichen, im Vergleich zu durchschnittlich intelligenten, keine emotionalen Probleme oder Verhaltensauffälligkeiten festzustellen sind. Es ist aber anzumerken, dass es sich hier nicht um eine repräsentative Untersuchung handelt. Die CBCL wurde von den Eltern ausgefüllt und die Schüler_innen wurden nur anhand ihres Ergebnisses beim SAT ausgewählt (vgl. Garland/Zigler 1999: 42ff.).

Neutralisierungstechniken von Hochbegabten

Wie zuvor schon erläutert, kann es dazu kommen, dass konformes Verhalten negativ bewertet wird. Heckert und Heckert beschreiben diesen Umstand als „Rate-busting“. Hochbegabte Schüler_innen und Student_innen haben oft mit der Zuschreibung als „Streber_in“ zu kämpfen. Diese setzten daraufhin – wie Nicole Shoenberger, Heckert und Heckert (vgl. Shoenberger/Heckert/Hecker 2012) herausgefunden haben – oft Neutralisierungstechniken ein, um ihr Verhalten sich selbst und anderen gegenüber zu rechtfertigen.

Das Phänomen von Neutralisierungstechniken wurde insbesondere durch Gresham M. Sykes und David Matza in deren Artikel „Techniques of Neutralization: A Theory of Delinquency“ bekannt. Sykes und Matza beschreiben darin, dass Verbrecher_innen und Delinquent_innen ihre Schuldgefühle häufig mithilfe verschiedener Techniken zu neutralisieren versuchen. So behaupten die Täter_innen, Opfer ihrer sozialen Situation zu sein, mit ihren Taten keinen Schaden für andere verursacht oder sich nur gegen unfaire Behandlung verteidigt zu haben. Eine weitere Technik der Neutralisation sei die Argumentation, dass die Gesellschaft noch viel schlimmer sei als man selbst und dass man die Tat für die Freunde oder Familie verübt habe (vgl. Sykes/Matza 1957: 667ff.).

Aufbauend auf dem Konzept dieser Neutralisierungstechniken haben Shoenberger, Heckert und Heckert eine explorative Studie durchgeführt. Dabei wurden teilstrukturierte qualitative Interviews mit 20 hochintelligenten Studierenden geführt. Ein Ergebnis war, dass positive Deviationist_innen ähnliche Techniken anwenden, um das Stigma der „Überkonformität“ zu minimieren,wie Verbrecher_innen. Von den Autor_innen wurde besonders darauf geachtet, Studierende zu befragen, deren Verhalten von ihren Professor_innen als positiv, von den Studienkolleg_innen hingegen als negativ bewertet wird. Diese Studierenden fallen also wie zuvor beschrieben in zwei Kategorien von Devianz (vgl. Shoenberger/Heckert/Heckert 2012: 775ff.).

Die Befragten gaben an, manchmal Schuldgefühle zu haben und sich ihrer Intelligenz zu schämen. Ein Student sagte beispielsweise, dass er versuche, zwei Identitäten zu haben, um sich selbst vor negativen Reaktionen auf sein positives Verhalten zu schützen. Auch habe er Drogen konsumiert, um dümmer zu wirken, als er eigentlich ist. Es scheint auch üblich zu sein, Noten, die man auf Prüfungen oder schriftliche Arbeiten bekommt, geheim zu halten oder diesbezüglich zu lügen, um sich schlechter darzustellen. Viele hochintelligente Studierende versuchen, nicht über ihre Leistungen zu sprechen und so ihre Intelligenz zu verbergen (vgl. Shoenberger/Heckert/Heckert 2012: 781f.).

Die Neutralisierungstechniken, die hochintelligente Studierende anwenden, wurden von den Autor_innen genau so benannt, wie sie von Sykes und Matza mehr als 50 Jahre zuvor formuliert wurden. Hochbegabte Studierende leugnen die eigene Verantwortung an ihrer Leistung und erklären häufig, dass sie nur ihr Bestes gegeben hätten, dass sie Glück gehabt hätten und dass dies nur ihr „Job“ sei. Sie leugnen auch wiederholt, dass sie dadurch anderen Studierenden schaden würden. Wie zuvor erwähnt kommt es oft zu einem Anstieg der Leistungsanforderung der Professor_innen, wenn es Hochbegabte oder besonders fleißige Personen innerhalb einer Gruppe gibt. Hochintelligente Studierende sehen aber mitunter nicht, dass sie ihre Studienkolleg_innen mit der eigenen Leistung in den Schatten stellen, sondern meinen eher, dass die Kolleg_innen dadurch nur stärker gefordert wären und sie diese somit zu Höchstleistungen ansp*rnen würden. In vielen Fällen nehmen hochintelligente Studierende nicht einmal wahr, dass es überhaupt ein Opfer durch ihre erbrachten (Höchst-)Leistungen gibt. Sie glauben nicht, dass ihr Erfolg einen Einfluss auf die Erwartungen hat, die die Professor_innen in der Folge an ihre Studienkolleg_innen haben. Eine weitere Technik, die angewendet wird, ist die, dass hochintelligente Studierende ihre Kolleg_innen als faul bezeichnen, da sie in ihren Augen nicht alles leisten, was sie theoretisch könnten und dass diese Personen an der Universität fehl am Platz seien. Die letzte zu beobachtende Technik ist, dass die Betroffenen erklären, dass der Hochbegabtenstatus nicht in ihnen – den Hochbegabten selbst – wurzele, sondern in einem übergeordneten Ziel, das gesellschaftlich anerkannt sei. Die Anforderungen der Eltern und Professor_innen sollen beispielsweise möglichst gut erfüllt werden oder nach dem Studium soll die Ausgansposition am Arbeitsmarkt möglichst aussichtsreich sein (vgl. Shoenberger/Heckert/Heckert 2012: 782ff.).

Diese Rechtfertigungen und Neutralisationstechniken sind für die Betroffenen vor allem dann nötig, um als hochintelligente Studierende mit der Einteilung in zwei Kategorien – einerseits positive Devianz, andererseits „Rate-busting“ – umgehen zu können. Durch diese gleichzeitige Zuteilung in zwei verschiedene Typen ergeben sich für die Studierenden Probleme: Sie können nicht gleichzeitig die unterschiedlichen und teils widersprüchlichen Erwartungen der beiden Gruppen bestmöglich erfüllen (vgl. Shoenberger/Heckert/Heckert 2012: 788).

Lieber mittelmäßig als hervorragend?

Devianz ist ein sehr häufig diskutiertes Thema, zu dem auch schon sehr viel publiziert und geforscht wurde. Durch seine Vielfältigkeit und auch durch die Veränderungen innerhalb des Normengeflechts gilt es immer wieder neue Aspekte zu beleuchten und zu erforschen. Doch auch in der Wissenschaft ist es offenbar ähnlich wie im Nachrichtenwesen – über Negatives und über augenscheinliche Probleme wird viel berichtet, Positives geht dabei oft unter. Positive Devianz ist ohne Zweifel ein Forschungsfeld, das noch in vielerlei Hinsicht untersucht und beforscht werden kann. Die wenige Literatur, die es dazu gibt, stammt großteils aus den USA. Aber es sind – wie berichtet – nicht nur Wissenschaftler_innen, die positive Devianz nicht thematisieren. Viele hochintelligente Personen verschweigen selbst ihre Brillanz, um von ihrer Umgebung nicht ausgeschlossen und gemieden zu werden. Die Fragen, die sich mir schlussendlich stellen: Warum nutzen wir die überdurchschnittliche Intelligenz der Hochbegabten nicht, um die großen Themen endlich anzugehen und die Welt – oder zumindest Teile davon – zu verbessern? Weshalb kann im Alltag nicht ein Umfeld geschaffen werden, in dem Hochintelligente zeigen können, wozu sie fähig sind? Wieso sollen die Begabungen, die man hat, versteckt und vertuscht werden? Warum möchte man lieber nur Mittelmaß sein, als zur Elite zu gehören?

Literaturverzeichnis:

Adler, Patricia A./Adler, Peter (2006): The Deviance Society. In: Deviant Behavior. Vol. 27/2, S. 129-148.

Becker, Howard S. (1963): Outsiders. Studies in the Sociology of Deviance. New York: The Free Press.

Garland, Ann F./Zigler, Edward (1999): Emotional and behavioral problems among highly intellectually gifted youth. In: Roeper Review. Vol. 22/1, S. 41-44.

Heckert, Alex/Heckert, Druann Maria (2002): A new typology of deviance: integrating normative and reactivist definitions of deviance. In: Deviant Behavior. Vol. 23/5, S. 449-479.

Heckert, Alex/Heckert Druann Maria (2004): Using an Integrated Typology of Deviance to Expand Merton’s Anomie Theory. In: Criminal Justice Studies: A Critical Journal of Crime, Law and Society. Vol. 17/1, S. 75-90.

Shoenberger, Nicole/Heckert, Alex/Heckert, Druann (2012): Techniques of Neutralization Theory and Positive Deviance. In: Deviant Behavior. Vol. 33/10, S. 774-791.

Stebbins, Robert A. (2011): Tolerable, acceptable and positive deviance. In: Bryant, Clifton D.: The Routledge Handbook of Deviant Behavior. Abingdon/New York: Routledge, S. 24-30.

Sykes, Gresham M./Matza, David (1957): Techniques of Neutralization: A Theory of Delinquency. In: American Social Review. Vol. 22/6, S. 664-670.

Zur Autorin:

Anna Fassl, 25, studiert Soziologie an der Universität Wien. Zu ihren wissenschaftlichen Interessengebieten gehören: Devianz, Chicago School.

Diesen Blogbeitrag zitieren
Die Redaktion (2014, 16. Januar). Positive Devianz oder: Warum Abweichung nicht immer schlecht sein muss – Von Anna Fassl. soziologieblog. Abgerufen am 16. April 2024, von https://soziologieblog.hypotheses.org/5840

Positive Devianz oder: Warum Abweichung nicht immer schlecht sein muss – Von Anna Fassl (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Jerrold Considine

Last Updated:

Views: 5530

Rating: 4.8 / 5 (78 voted)

Reviews: 93% of readers found this page helpful

Author information

Name: Jerrold Considine

Birthday: 1993-11-03

Address: Suite 447 3463 Marybelle Circles, New Marlin, AL 20765

Phone: +5816749283868

Job: Sales Executive

Hobby: Air sports, Sand art, Electronics, LARPing, Baseball, Book restoration, Puzzles

Introduction: My name is Jerrold Considine, I am a combative, cheerful, encouraging, happy, enthusiastic, funny, kind person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.